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Wilfried Daim Jörg Lanz von Liebenfels (1874-1954), der eigentlich Adolf Josef Lanz hieß und sich den Adel erst später zulegte, war einer, der – wie übrigens viele andere auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im beginnenden 20. – besessen war vom Thema "Rasse". Wie andere "Rassentheoretiker" auch baute er sich eine wirre Hierarchie von Rassen zusammen, an deren Spitze selbstverständlich der weiße Europäer arischer Abstammung steht. Seiner "Ariosophie" wird ein maßgeblicher Einfluss auf die Entstehung der nationalsozialistischen Ideologie durch Adolf Hitler zugerechnet. Wilfried Daim unternimmt nun den Versuch, diesen Einfluss näher zu bestimmen. Lanz trat 1893 in ein Zisterzienserkloster ein, verließ es aber nach etwa einem Jahr wieder und gründete 1900 den Neutemplerorden (Ordinis Novi Templi, ONT). Er propagierte eine rassistische Ideologie, die die sogenannte "Arioheroiker" als überlegen betrachtete und andere, insbesondere Juden, als "Äfflinge" diffamierte. Seine Schriften, wie die "Theozoologie" und die Zeitschrift "Ostara" (gegründet 1905 als "Ostara, Briefbücherei der Blonden und Mannesrechtler", die Zeitschrift erreichte zu ihren Hochzeiten eine Auflage von über 100.000), verbreiteten diese rassistischen Vorstellungen und fanden ein interessiertes Publikum, darunter Adolf Hitler. Daim belegt, dass Hitler in seiner Wiener Zeit regelmäßig die "Ostara" las und von Lanz' Ideen beeinflusst wurde. Hitlers spätere antisemitische Schriften weisen zahlreiche Parallelen zu Lanz' Theorien auf. Die Studie unterstreicht die Bedeutung von Lanz' Wirken für die Entwicklung des Nationalsozialismus. Seine rassistische Ideologie schuf einen intellektuellen Rahmen, in den sich die nationalsozialistischen Vorstellungen einfügten. Lanz hisste 1907 zum ersten Mal auf dem Turm seiner Ordensburg Werfenstein die Hakenkreuzfahne, sein Einfluss auf Hitler und andere führende Nationalsozialisten ist unbestreitbar, auch wenn Hitler später versuchte, diese Verbindung zu leugnen, indem er zum Beispiel ein Schreibverbot über Lanz verhängte. Inzwischen gehen Historiker davon aus, dass die Schriften des Lanz weniger einflussreich auf Hitlers Entwicklung seines Antisemitismus gewesen sind als Daim es darlegt. Sicher ist jedoch, dass Lanz eines von vielen Mosaiksteinchen gewesen ist, die das Milieu bildeten, aus dem heraus der Nationalsozialismus sein Potential schöpfte. Interessant an den Ausführungen Daims sind auch die Verbindungen zwischen Lanz und August Strindberg, der wenigstens zeitweise Mitglied des Neutemplerordens gewesen ist. Eine mehrjährige Korrespondenz zwischen Lanz und Strindberg ist belegt. Strindbergs "Nach Damaskus" und "Blaubuch" legen Zeugnis davon ab. Ebenso korrespondierte Lanz mit Fritz von Herzmanovsky-Orlando, dem österreichischen Schriftsteller und Zeichner, der für seine ins Phantastische reichenden Werke bekannt ist. Sein Interesse galt auch mystisch-esoterischen Ideen, was ihn in Kontakt mit Lanz gebracht haben dürfte. Inwieweit er dessen rassistisches Gedankengut teilte, ist unklar. Wilfried Daim (1923-2016) war ein österreichischer Psychologe und interessiert an parapsychologischen Experimenten. 1956 gründete er das Institut für politische Psychologie. → Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus 23. September 2024 |
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