Kassiber leer
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Häuser vor dem Regen

Sie lassen keine Helle herein:
Nebel fasert mit feuchten Händen
silbrige Fäden aus Dämmerschein
und spannt sie kühl über die lauschenden Wände.

Ducken die Häuser sich tief nach innen,
bücken sich, lauschen, ob nicht in den Rinnen
tönende Kunde von draußen erwacht; –
ob nicht wohl irgend auf dämmrigen Stufen
Schritte flehen und flüsternde Rufe: –
ob nicht vielleicht auf den Giebeln und Dächern,
ob nicht wo in den Luken und Löchern
sickernde Tropfen sich breit gemacht ...

Nun wagt kein Fenster hinauszublicken,
alle sind blind. –
Angst flügelt über ihnen wie Wind,
will sie packen, will sie umstricken:
Erst locken sie leise
mit Tropfen am Rand,
mit rinnenden Weisen
und glitzerndem Tand. –

Es schließen sich drin in den Zimmern die Klinken,
an Türen und Toren knarren die Riegel;
Schwermut preßt ihr dunkles Siegel
in jedes Auge, auf jeden Mund
und läßt es fernher flatternd blinken. –
Da werden die Stimmen verschwiegen und leise,
Regen rauscht schwermütige Weise ...


Isaac Schreyer

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