Kassiber | |||||
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Carl Seelig Robert Walser (1878-1956), Schweizer Schriftsteller und Autor von Texten wie "Geschwister Tanner" (1907), "Der Gehülfe" (1908) und "Jakob von Gunten" (1909), entstammt einer Familie, deren Mitglieder häufig von psychischen Problemen belastet waren. Die Mutter galt als "gemütskrank", sein Bruder Ernst starb 1916 in der "Irren- Heil- und Pflegeanstalt Waldau", ein weiterer Bruder, Hermann, nahm sich 1919 das Leben. Robert selbst wurde 1929 ebenfalls in Waldau aufgenommen, er litt unter Angstzuständen und Halluzinationen. Sein Befinden verbesserte sich nach einigen Wochen und er konnte seine literarische Arbeit – wenn auch deutlich reduziert – fortsetzen. Erst als er 1933 gegen seinen Willen in die Heil- und Pflegeanstalt Herisau verbracht wurde, endete seine literarische Produktion jäh. Trotzdem ihm später bescheinigt wurde, dass er jederzeit als geheilt entlassen werden könnte, zog er es vor, bis zu seinem Tod 1956 in der Anstalt zu verbleiben. Carl Seelig (1894-1962), Schweizer Schriftsteller und Journalist, der intensive Kontakte zu Autoren der Zeit pflegte und sie als Herausgeber und durch die Besprechung ihrer Werke, sowie – bei Bedarf – auch materiell unterstützte. 1935 nahm Seelig Kontakt zu Robert Walser auf und besuchte ihn ab 1936 regelmäßig in Herisau, von wo aus sie zu ihren gemeinsamen Wanderungen aufbrachen. In dieser Zeit besorgte Seelig einige Editionen der Werke Robert Walsers und wurde schließlich zu seinem Vormund bestellt. "Wanderungen mit Robert Walser" dokumentiert etwa 50 dieser Wanderungen, welche Kriterien der Auswahl zu Grunde gelegen haben bleibt unklar, es müssen erheblich mehr gewesen sein. Dabei entsteht keineswegs der Eindruck eines pathologischen Robert Walser, eher der eines Menschen mit Ecken und Kanten, der gelegentlichen Launen unterworfen war. Man erfährt einiges über seine eigene Literatur, mehr noch aber über die Lektüre Walsers, die auch in den Jahrzehnten seiner schriftstellerischen Abstinenz nicht vernachlässigt worden ist. Direkt auf das Ende seiner Schreibtätigkeit angesprochen, antwortet er: "In Herisau (...) habe ich nichts mehr geschrieben. Wozu auch? Meine Welt wurde von den Nazis zertrümmert. Die Zeitungen, für die ich schrieb, sind eingegangen; ihre Redaktoren wurden verjagt oder sind gestorben. Da bin ich ja beinahe zu einem Petrefakt geworden." (S. 76) Walser und Seelig wanderten nicht nur in der näheren Umgebung von Herisau, gelegentlich unternahmen sie auch Bahnreisen, um dann am Zielort die Gegend zu erkunden. Wesentlicher Bestandteil ihrer Treffen waren die Mahlzeiten, für Walser sicher eine geschätzte Abwechslung zur Anstaltskost, und der reichliche Zuspruch zu alkoholischen Getränken. Extreme Wetterbedingungen hielten die beiden nur selten davon ab, ihr geplantes Pensum in vollem Umfang durchzuführen. Betont wird das forcierte Tempo, mit dem Robert Walser auch schwierige Wegstrecken zurücklegte, erst ab 1953, Walser war zu dieser Zeit immerhin schon 75 Jahre alt, bemerkte Seelig Einschränkungen: "Zum erstenmal macht mir Robert den Eindruck eines alternden, mit den schwindenden Körperkräften kämpfenden Mannes." (S. 146) Es ist eine immer wieder anrührende Lektüre, die sicher keine tiefgehenden Erkenntnisse über das Werk Robert Walsers liefert, den Menschen aber etwas näher bringt. 31. Oktober 2024 |
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