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Wem der Name John Höxter überhaupt etwas sagt, dem wird das Bild des ruhelosen Schnorrers erscheinen, als der er in vielen Erinnerungen seiner Zeitgenossen aufgetaucht ist. Oder als der geistreiche Unterhalter der Berliner Bohème der 10er und 20er Jahre, ein Künstler des Augenblicks ohne hinterlassenes Werk. Jörg Aufenanger, der schon zu Grabbe, Heine und Kleist publiziert hat, bastelt aus dem Wenigen, das es über und zu John Höxter zu wissen gibt, eine "biographische Annäherung" (S. 10), die den Menschen und die Zeit beschreibt, in der er gewirkt hat, vermutlich nur wirken konnte, und die ihn dann verschlingen wird. 1884 in Hannover geboren, kam er 1906 nach Berlin, um an der Kunstgewerbeschule ein Studium zu beginnen, das er aber bald abbrach. Von da an treibt es ihn durch die Cafés der Stadt und die einschlägigen Treffpunkte der Berliner Bohème. Er begegnet dort Künstlern, deren Werke er später illustrieren wird, Werke, die den Geist der Zeit darstellen und ihn mit prägen. Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam, Emmy Hennings, Jakob van Hoddis (mit dem er zeitweise zusammen wohnt) sind ihm freundschaftlich verbunden, Georg Heym, Ferdinand Hardekopf, Ernst Hardt und viele andere helfen immer wieder mal aus, wenn er mal wieder etwas klamm ist. Er selbst schreibt Gedichte, Prosa, Literaturkritiken, Essays, seine Grafiken und Bilder hängen in diversen Ausstellungen, immer wieder betätigt er sich als Illustrator und Porträtist. Aber die finanziellen Mittel sind knapp, zumal er die Freuden von Sister Morphine entdeckt hat. Es entsteht das Bild des geisterhaft von Tisch zu Tisch huschenden Höxters [1], der noch immer die Unterhaltungen mit seinen originellen Bemerkungen bereichern kann, vor allem aber auf die Zuwendungen angewiesen ist, die er dabei erhält. Und die Szene verändert sich, 1929 erscheint sein Abgesang auf die Berliner Bohème "So lebten wir". Dann wird es still um ihn, und seit 1933 verwehrt man ihm – als Juden – den Zutritt zum Romanischen Café, einst der Sammelpunkt der künstlerischen Avantgarde. Höxter weiß, was die Stunde geschlagen hat. Wie er sich durchschlägt bis 1938, als am 9. November die Synagogen brennen, weiß man nicht. 7 Tage später wird er gefunden. Tot. Er hatte sich an beiden Armen die Adern geöffnet. ---------------------------- 1. "»Ahasver des Romanischen Cafés« wurde er genannt, da er durch das Café wanderte wie von einem Land zum anderen, als Schnorrer und Pumpgenie, als Morphinist, Homosexueller, als Dandy und Décadent." S. 66 ---------------------------- 3. November 2022 |
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