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Tom Cooper Das zerstörte Leben des Wes Trench Tom Cooper
Das zerstörte Leben des Wes Trench.
Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Peter Tor­berg.
Ullstein Verlag 2016, 383 Sei­ten, ISBN 978-3-550-08096-8

Jeanette ist ein klei­ner Ort in der Ba­ra­ta­ria Bay, west­lich von New Or­leans. Die Men­schen le­ben vom Shrimp­fang oder von Ge­le­gen­heits­ar­bei­ten in der nä­he­ren Um­ge­bung. Sie sind die "Sumpf­rat­ten", gel­ten als un­ge­bil­det und zu­rück­ge­blie­ben, ihre Chan­cen für ei­nen so­zia­len Auf­stieg sind ge­ring. Das war auch schon so, be­vor der Hur­ri­kan Kathrina 2005 Häu­ser und Boo­te zer­stör­te, Men­schen tö­te­te und jede Hoff­nung un­ter sich be­grub. Doch dann ken­ter­te 2010 die Öl­platt­form Deep­wa­ter Ho­ri­zon und ver­seuch­te das Ba­you, für die Fi­scher des Or­tes ihre Le­bens­grund­la­ge, für lan­ge Zeit, und al­les wur­de noch schlim­mer.

Wes Trench und sein Va­ter ver­su­chen al­les, um trotz der im­mer ge­rin­ge­ren Aus­beu­te aus ih­ren Fisch­zü­gen über die Run­den zu kom­men. Doch die Be­zie­hung ist be­las­tet, Wes' Mut­ter wur­de von den Flu­ten mit­ge­ris­sen, die Kath­ri­na über das Land trieb, und Wes' Va­ter gibt sich die Schuld für ih­ren Tod, weil er eine recht­zei­ti­ge Flucht der Fa­mi­lie ab­ge­lehnt hat­te. Er ist seit­dem noch schweig­sa­mer und ag­gres­si­ver als er es zu­vor schon ge­we­sen ist.

Die Zwillinge Victor und Re­gi­nald Toup be­trei­ben auf ei­ner ab­ge­le­ge­nen In­sel im Ba­you eine Ma­ri­hua­na­plan­ta­ge, die ih­nen ein gu­tes Aus­kom­men si­chert. Doch Vic­tor, der im­pul­si­ve­re der bei­den, fürch­tet die Ent­de­ckung und ist ge­willt, je­den mit al­len Mit­teln da­ran zu hin­dern.

Einer, der als Entdecker in Fra­ge käme, ist der ein­ar­mi­ge Lind­quist, der ne­ben sei­ner Shrimp­fi­sche­rei mit ei­nem Me­tall­de­tek­tor die In­seln des Ba­you er­kun­det. Er ist der Über­zeu­gung, dass er ei­nes Ta­ges auf den le­gen­dä­ren Schatz des Pi­ra­ten Jean La­fitte sto­ßen wird, der im frü­hen 19. Jahr­hun­dert dort sei­ne Ba­sis hat­te.

Die beiden Ge­le­gen­heits­ar­bei­ter Cos­grove und Han­son ler­nen sich bei ei­ner Um­welt­ak­tion ken­nen, bei der vom Öl ver­schmutz­te Vö­gel ge­rei­nigt wer­den. Die Ar­beit ist schlecht be­zahlt und bei­de war­ten nur auf eine bes­se­re Ge­le­gen­heit und ge­ra­ten da­bei auf die schie­fe Bahn.

Und dann ist da noch Grimes, der in der Ge­gend ge­bo­ren wur­de, dem es aber als ei­nem der we­ni­gen ge­lun­gen ist, dem Elend zu ent­kom­men und au­ßer­halb eine ei­ni­ger­ma­ßen er­folg­rei­che Kar­rie­re zu star­ten. Als der Öl­kon­zern BP, dem Deep­wa­ter Ho­ri­zon ge­hört hat, die Scha­dens­er­satz­an­sprü­che, die auf sie zu­rol­len könn­ten, mög­lichst früh im Keim zu er­sti­cken ver­sucht, schi­cken sie Grimes in die Ge­gend, um den Men­schen ein An­ge­bot zu un­ter­brei­ten, für ein paar tau­send Dol­lar Ent­schä­di­gung ei­nen Ver­trag zu un­ter­schrei­ben, mit dem sie auf alle wei­te­ren An­sprü­che ver­zich­ten.

Vorerst ist Grimes das Bin­de­glied zwi­schen den ge­nann­ten Per­so­nen, ihn be­glei­ten wir, wäh­rend sich pa­ral­lel die Din­ge zu­spit­zen. Wes er­trägt die Schi­ka­nen sei­nes Va­ters nicht mehr und ver­lässt ihn. Statt­des­sen schließt er sich Lind­quist an. Cos­grove und Han­son ent­de­cken die Ma­ri­hua­na­plan­ta­ge der Brü­der Toup und plün­dern sie, um das dope in New Or­leans an ei­nen Dea­ler zu ver­kau­fen. Die Toups hal­ten Lind­quist da­für ver­ant­wort­lich und su­chen ihn, der mit ei­nem klei­nen Kahn und ei­ner La­ter­ne nachts im Ba­you nach dem Schatz sucht. Die Es­ka­la­tion er­folgt zwangs­läu­fig, ei­ni­gen kos­tet sie das Le­ben.

Ich habe die at­mo­sphä­risch dichte Be­schrei­bung des Ba­you und der Men­schen, die dort in ei­ner gro­ßen Re­sig­na­tion le­ben, mit Fas­zi­na­tion ge­le­sen, wo­bei mir ge­le­gent­lich aber der Ge­dan­ke kam, ob die Dar­stel­lung mög­li­cher­wei­se der­art kli­schee­haft ist, dass sie eben un­se­ren Er­war­tun­gen ent­spricht, letzt­lich kann ich das nicht be­ur­tei­len. Völ­lig über­rascht wur­de ich vom letz­ten Ka­pi­tel, das "Koda" über­schrie­ben ist und zu ei­nem un­er­war­te­ten hap­py end führt, das ei­gent­lich durch nichts be­grün­det ist. Viel­leicht ist es aber auch nur ein Wunsch­traum, den Wes sich er­hofft, um wei­ter dort le­ben zu kön­nen.

Der Autor Tom Cooper (*1974) war Hoch­schul­leh­rer in Thi­bo­deaux, als sich die Ka­tas­tro­phe auf der Öl­platt­form Deep­wa­ter Ho­ri­zon er­eig­ne­te. "Das zer­stör­te Le­ben des Wes Trench" (The Ma­rau­ders) er­schien 2015 als sein ers­ter Ro­man, zu­vor hat­te er Kurz­ge­schich­ten ver­öf­fent­licht.


11. Dezember 2024

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