Kassiber leer
Autoren Glossen Lyrik

Richard Dawkins: Der Gotteswahn Richard Dawkins
Der Gotteswahn.
Ullstein 2009, 575 Sei­ten
ISBN 978-3-548-37232-7

Richard Dawkins ist Evo­lu­tions­bio­lo­ge, er hat in Berke­ley und Ox­ford ge­lehrt. Und er ist Athe­ist. In "Der Got­tes­wahn" be­müht er sich auf über 500 Sei­ten, den Nach­weis zu füh­ren, dass Gott ein evo­lu­tio­nä­res Kon­strukt ist, dass er nach na­tur­wis­sen­schaft­lichem Ver­ständ­nis nicht existiert und Re­li­gio­nen in­zwi­schen über­flüs­sig ge­wor­den sind. Sein Cre­do ist die na­tür­liche Se­lek­tion, die zu den kom­ple­xen Or­ga­nis­men ge­führt hat, die wir heute ken­nen. Ein­schließ­lich uns selbst.

Der Text richtet sich an Gläu­bi­ge, deren Zwei­fel, so sie wel­che ha­ben, er verstärken will, und an Nichtgläubige, de­nen er Mut machen möchte, zu ihren Über­zeu­gun­gen auch öf­fent­lich zu stehen. Fun­da­men­ta­lis­ten jed­we­der Cou­leur, de­ren Ig­no­ranz und In­to­le­ranz er aus­führ­lich dar­legt, wird er da­mit wohl nicht er­rei­chen. Sein Furor nimmt ge­le­gent­lich na­he­zu bib­li­sche Aus­ma­ße an, so etwa zu Be­ginn des Ka­pi­tels "Die Got­tes­hy­po­the­se":

"Der Gott des Alten Tes­ta­ments ist – das kann man mit Fug und Recht be­haup­ten – die un­an­ge­nehms­te Gestalt in der ge­sam­ten Literatur: Er ist ei­fer­süch­tig und auch noch stolz da­rauf; ein klein­li­cher, un­ge­rech­ter, nach­tra­gen­der Über­wa­chungs­fa­na­ti­ker; ein rach­süch­ti­ger, blut­rüns­tiger eth­ni­scher Säu­be­rer; ein frau­en­feind­licher, ho­mo­pho­ber, ras­sis­ti­scher, Kin­der und Völ­ker mor­den­der, ek­li­ger, grö­ßen­wahn­sin­ni­ger, sa­do­ma­so­chis­ti­scher, lau­nisch-­bos­haf­ter Ty­rann." (S. 45)

Genüsslich zitiert er Bi­bel­stel­len, die diese hef­tigen An­wür­fe be­grün­den sollen. Aber er geht noch weiter und macht die ver­meint­lich li­be­ra­len und to­le­ran­ten In­ter­pre­ten re­li­giöser Über­zeu­gun­gen für Ex­zes­se von Fa­na­ti­kern ver­ant­wort­lich, de­nen sie die ar­gu­men­ta­ti­ve Basis ge­ge­ben ha­ben sollen. "Die Leh­ren der 'ge­mä­ßig­ten' Re­li­gion sind zwar selbst nicht ex­tre­mis­tisch, sie öff­nen aber den Ex­tre­mis­ten Tür und Tor." (S. 427)

Dawkins arbeitet die Ar­gu­men­te ab, die für die Existenz Got­tes und die Sinn­haftigkeit von Re­li­gio­nen vorge­tragen wer­den. Ebenso die Ein­wän­de, die ge­gen seine Stand­punk­te er­ho­ben worden sind. Dem kann man – be­son­ders als je­mand, der nicht an Gott glaubt und kein Be­dürf­nis nach Religion ver­spürt – weit­ge­hend folgen, den­noch fällt die ein­sei­tige Fi­xie­rung Daw­kins auf na­tur­wis­sen­schaft­liche Welt­er­klä­run­gen auf, in der kein Platz ist für die den Men­schen inne­woh­nen­de we­sens­be­stim­men­de Ir­ra­tio­na­li­tät.

Und: Wenn man davon aus­geht, dass 99% aller Arten, die je­mals auf der Erde gelebt ha­ben, aus­ge­stor­ben sind, dann scheint weder Gott noch die Evo­lu­tion ein besonders er­folg­rei­ches Kon­zept zu sein.

----------------------------

20. März 2021

Religion

Gelesen : Weiteres : Impressum