Kassiber leer
Autoren Glossen Lyrik

Colette Claude Francis / Fernande Gontier
Colette. Biographie.
Aus dem Fran­zö­si­schen über­setzt von Lin­da Gränz.
Europäische Ver­lags­an­stalt 1998, 580 Sei­ten, ISBN 3-434-50429-X

Die Biografie „Colette“ von Clau­de Fran­cis und Fer­nan­de Gon­tier zählt zu den um­fas­sends­ten Dar­stel­lun­gen des Le­bens der fran­zö­si­schen Au­to­rin Si­do­nie-Ga­bri­elle Co­lette. Die bei­den Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin­nen set­zen auf eine klar struk­tu­rier­te, chro­no­lo­gisch auf­ge­bau­te Er­zähl­wei­se, die sich auf eine Viel­zahl an Quel­len stützt – da­run­ter Brie­fe, Ta­ge­buch­auf­zeich­nun­gen und Zeit­zeu­gen­be­rich­te.

Von ihrer Arbeit als Tän­ze­rin und Schau­spie­le­rin über ih­re jour­na­lis­ti­sche Tä­tig­keit bis hin zu ih­rem li­te­ra­ri­schen Schaf­fen ent­steht das Bild ei­ner Frau, die un­be­irr­bar ih­ren ei­ge­nen Weg ging. Ihre un­kon­ven­tio­nel­len Be­zie­hun­gen und ihr of­fe­ner Um­gang mit The­men wie Se­xua­li­tät, Ehe und Ge­schlech­ter­rol­len wer­den aus­führ­lich dar­ge­stellt.

Zugleich lässt sich „Co­lette“ als eine Art Kul­tur­ge­schich­te des fin de siècle und der Belle Époque le­sen – als Por­trät ei­ner Frau, die sich kon­se­quent ge­gen ge­sell­schaft­li­che Er­war­tun­gen stell­te und de­ren Le­ben maß­geb­lich von der Su­che nach Lie­be ge­prägt war. Die Dar­stel­lung ih­rer Lieb­schaf­ten und Be­zie­hun­gen er­scheint zu­wei­len et­was wahl­los, wo­bei in vie­len Fäl­len die Art der Be­zie­hung un­klar bleibt: zu vie­le Na­men, zu vie­le An­deu­tun­gen, um noch den Über­blick zu be­wah­ren.

Für viele zeit­ge­nös­si­sche Schrift­stel­ler­*in­nen galt Co­lette als In­be­griff ei­nes weib­li­chen Ge­nies – sen­si­bel, lei­den­schaft­lich, kom­pro­miss­los. In der Kul­tur­sze­ne des frü­hen 20. Jahr­hun­derts war sie eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit: als Va­rie­té­künst­le­rin, Gast­ge­be­rin li­te­ra­ri­scher Sa­lons, Schau­spie­le­rin und vor al­lem als Schrift­stel­le­rin.

Mit zwanzig Jahren hei­ra­te­te sie den be­kann­ten Kri­ti­ker Hen­ry Gau­thier-Vil­lars, ge­nannt Wil­ly, der sich zu­nächst den Ruhm ih­rer Clau­dine-Ro­ma­ne an­eig­ne­te, was nach dem Ende der Ehe zu ei­nem er­bit­ter­ten und hass­er­füll­ten öf­fent­lich aus­ge­tra­ge­nen Streit führ­te. Die­se Zeit mar­kier­te für Co­lette eine Pha­se in­ten­si­ver künst­le­ri­scher und per­sön­li­cher Selbst­fin­dung: Sie trat als Nackt-Tän­ze­rin auf, schrieb wei­ter, leb­te of­fen ho­mo­se­xuell und stell­te be­ste­hen­de Vor­stel­lun­gen von Ehe und Mut­ter­schaft in Fra­ge. Spä­ter ging sie eine Ehe mit Hen­ry de Jou­ve­nel ein, hat­te je­doch auch eine öf­fent­lich dis­ku­tier­te Af­fä­re mit des­sen Sohn – ein Be­zie­hungs­ge­flecht, das eben­so viel Auf­merk­sam­keit er­reg­te wie ihre li­te­ra­ri­schen Er­fol­ge.

Nahezu sechzig­jährig hei­ra­te­te Co­lette ein drit­tes Mal, den sech­zehn Jah­re jüngeren Mau­rice Gou­de­ket, und zog sich schritt­wei­se aus der Öf­fent­lich­keit zu­rück. Nach ih­rem Tod 1954 er­hielt sie als ers­te Frau Frank­reichs ein Staats­be­gräb­nis.

Die Vielzahl der Na­men und Da­ten, die von den Au­to­rin­nen an­ge­führt wer­den, hat mich stre­cken­wei­se er­schla­gen und zu ei­ner zeit­wei­li­gen Orien­tie­rungs­lo­sig­keit geführt, die mich hat auf­at­men las­sen, als ich das Buch aus­ge­le­sen hat­te.


Biographisches

Über Literatur

2. Mai 2025

Gelesen : Weiteres : Impressum