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Leopold Infeld: Wen die Götter lieben Leopold Infeld
Wen die Götter lie­ben.
Die Geschichte des Evariste Galois. Roman.
Aus dem Englischen von Doris Brehm.
Schönbrunn-Verlag 1954, 331 Seiten

Evariste Galois (1811 – 1832) wird als ei­ner der größ­ten Ma­the­ma­ti­ker sei­nes Jahr­hun­derts an­ge­se­hen, was man aber erst Jahr­zehn­te nach seinem Tod er­kann­te. Der Wert seiner Ar­bei­ten über die Auflösung al­ge­bra­ischer Glei­chun­gen wur­de zu seinen Leb­zei­ten nicht be­merkt oder als un­ver­ständ­lich be­zeich­net. In der Schu­le galt er als Ein­zel­gän­ger und Que­ru­lant, bei der Auf­nah­me­prü­fung zur École poly­technique fiel er zwei­mal durch, seine Ma­nus­krip­te, die er an die Académie des Sciences schickte, wur­den ig­no­riert oder zu­rück ge­wie­sen.

Nachdem sein Vater, Bürger­meis­ter in einem kleinen Ort vor den To­ren von Paris, den Frei­tod wählte, da er den Ver­un­glimp­fun­gen des lo­ka­len Pries­ters und seiner An­hän­ger nicht mehr stand­halten konn­te, ra­di­ka­li­sier­te sich Eva­riste und trat der "Société des amis du peuple" bei, die für eine re­pub­li­ka­nische Ver­fas­sung und für die Ab­schaf­fung der Mo­nar­chie eintrat. Galois wird 1830 von der Schu­le École Normale Su­pé­rieure verwiesen, nach­dem er den Direktor beleidigt hatte, der die Schüler daran hin­der­te, sich den revolu­tionären Ereig­nissen in den Stra­ßen von Paris an­zu­schlie­ßen.

Auf einem republi­ka­ni­schen Ban­kett bringt Galois einen iro­ni­schen Trink­spruch auf den "Bürger­könig" Louis-Phi­lippe aus. Da er dabei ei­nen Dolch in die Höhe hält, wird er von an­we­sen­den Spit­zeln de­nun­ziert und vor Ge­richt ge­stellt. Das Ver­fah­ren endet mit einem Frei­spruch. Am 14. Ju­li, dem Tag der Er­stür­mung der Bastille, ver­sam­meln sich be­waff­ne­te Re­pu­bli­ka­ner im Louv­re, man hofft auf einen Aufstand des Volkes. Galois und andere werden ver­haf­tet und ver­brin­gen die nächste Zeit im Ge­fäng­nis. Als sich die Cholera in Paris aus­brei­tet, wird Galois in ein Sa­na­to­rium verlegt, wo er den Ad­li­gen Antoine Farère ken­nen­lernt. Er verliebt sich in eine Be­su­che­rin Antoines und trifft sich nach der Haft­ent­las­sung mit ihr. Es kommt zum Aus­tausch von Zärt­lich­kei­ten, was Ga­lois in seiner Liebe zu Eve Sorel bestärkt. Als er von ihr al­ler­dings die Bestätigung ihrer Be­zie­hung hören möch­te, er­klärt sie, die Geliebte eines anderen zu sein, der für ei­ni­ge Zeit auf Reisen sei und sie sich in der Zwischen­zeit mit ihm ver­gnügt habe. Galois be­lei­digt die junge Frau da­rauf­hin, die Rache schwört.

Wenige Tage danach er­schei­nen der Geliebte (Pécheux d'Herbinville) und ein Ver­wand­ter von ihr und fordern Galois zum Duell. Galois ent­schul­digt sich und möch­te das Duell ab­wen­den. Die He­raus­for­de­rer bestehen je­doch da­rauf. Galois ist klar, dass er gegen die beiden – die üb­ri­gens eben­falls Re­pub­li­ka­ner sind – keine Über­le­bens­chan­ce hat und schreibt in der Nacht vor dem Duell seine ma­the­ma­ti­schen Über­le­gun­gen wie im Rausch nie­der. In einem Brief an einen Freund bittet er ihn, die Unter­lagen den bekann­testen Ma­the­ma­ti­kern der Zeit vor­zu­le­gen, da er davon über­zeugt ist, einen we­sent­lichen Bei­trag zur Ent­wick­lung ma­the­ma­ti­scher The­o­rien ge­leis­tet zu haben. Als um 5 Uhr morgens seine Se­kun­dan­ten (Antoine und ein Freund Antoines) ihn zum Duell ab­ho­len, bricht er not­ge­drun­gen die Auf­zeich­nun­gen ab.

Schon der erste Schuss sei­nes Gegners trifft Galois in den Unter­leib, er ist schwer verwundet. Seine Se­kun­dan­ten set­zen sich ab, ein etwas später zufällig vorbei­kom­men­der Bauer fin­det ihn und bringt ihn ins nächste Spital. Dort wird ihm klar, dass er von Antoine und Eve in eine Falle gelockt wor­den ist, die von Anfang an darauf ab­ziel­te, ihn ums Leben zu bringen. Er stirbt wenige Tage später. Er ist gerade mal 20 Jahre alt ge­wor­den.

Am 2. Juni 1832 findet die Beisetzung statt. 3000 Re­pu­bli­ka­ner be­glei­ten ihn auf sei­nem letzten Weg.

Leopold Infeld (1898 – 1968) war theoretischer Physiker, der mit Ein­stein an Pro­ble­men der Rela­tivi­täts­theo­rie ar­bei­te­te. 1938 Professur in To­ron­to. Als Folge einer Kam­pa­gne gegen ihn wegen an­geb­li­cher Sym­pa­thien mit dem Kom­mu­nis­mus und dem Ver­dacht, er könne Ge­heim­nisse der Atom­bom­ben­for­schung (über die er gar­nicht verfügte) an die Sowjet­union verraten, verlor er sei­ne ka­na­di­sche Staats­bür­ger­schaft und kehr­te zu­rück in sei­ne pol­ni­sche Hei­mat, wo er haupt­ver­ant­wort­lich die For­schung zur theo­re­tischen Phy­sik auf­bau­te. Zahl­reiche Ver­öf­fent­li­chun­gen (un­ter an­de­rem mit Einstein und Max Born), auch au­to­bio­gra­phi­scher Art. Sein Buch über Eva­riste Galois stützt sich auf die da­mals be­kann­ten Do­ku­men­te, die er im An­hang auf­führt. Aus­führ­lich be­schreibt er Kapitel für Kapitel den historisch be­leg­ten An­teil sei­nes Tex­tes und den fik­tiven.

Literarisch ist der Ro­man eher schmale Kost, be­son­ders in den Pas­sa­gen, in de­nen die Be­ziehung von Galois und Eve beschrieben wird. Den­noch den­ke ich, dass man einen ziem­lich guten Ein­druck der da­ma­li­gen Zeit und ihrer gesell­schaftlichen Kon­flikte be­kommt, sowie über die Per­sönlich­keit Eva­riste Galois'.

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13. Februar 2021

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