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Daniel Kehlmann Über Leo Perutz. Daniel Kehlmann
Über Leo Perutz.
Vorwort von Volker Wei­der­mann.
Kiepenheuer & Witsch 2024, 105 Sei­ten, ISBN 978-3-462-00406-9

Daniel Kehlmann, einer der er­folg­reichs­ten Au­to­ren im deut­schen Sprach­raum, wird nicht mü­de, sei­ner Ver­wun­de­rung Aus­druck zu ver­lei­hen da­rü­ber, dass Leo Pe­rutz, den er be­wun­dert und ver­ehrt, nicht den Ruf ge­nießt, den er ver­dient, und dass er dem heu­ti­gen Le­se­pu­bli­kum weit­ge­hend un­be­kannt ist. Mit die­sem schma­len Bänd­chen tritt Kehl­mann an, das zu än­dern.

Gleich zu Beginn grenzt Kehl­mann Pe­rutz ge­gen Zeit­ge­nos­sen wie Jo­seph Roth, An­ton Kuh, Franz Kaf­ka und Lion Feucht­wan­ger ab, von de­nen sich Ele­men­te und Stil­mit­tel in Pe­rutz' Werk fin­den las­sen. Al­ler­dings sieht Kehl­mann die Stär­ken des Pe­rutz­schen Werks an­ders­wo: in der "Kunst der mehr­deu­ti­gen Dra­ma­tur­gie". (S. 13)

Kehlmann verfolgt die Spu­ren die­ser Dra­ma­tur­gie über meh­re­re Wer­ke hin­weg, um schließ­lich bei "Nachts un­ter der stei­ner­nen Brü­cke" zu lan­den, das er für das Meis­ter­werk des Leo Pe­rutz hält. Der Ro­man be­steht aus 14 Ka­pi­teln, die alle un­ab­hän­gig von­ei­nan­der ge­le­sen wer­den kön­nen, die je­doch aufs Raf­fi­nier­tes­te mit­ei­nan­der ver­wo­ben sind. Akri­bisch legt Kehl­mann die Fä­den of­fen, die Hand­lung und Pro­ta­go­nis­ten mit­ei­nan­der ver­bin­den, springt vor und zu­rück, zi­tiert aus ei­ner frü­he­ren Er­zäh­lung, um ei­ne spä­te­re zu er­läu­tern und er­klärt: "Es geht aber viel mehr um das ei­gen­tüm­li­che Er­leb­nis, wäh­rend der zwei­ten und dann noch deut­li­cher wäh­rend der drit­ten Lek­tü­re mit an­zu­se­hen, wie hier all­mäh­lich ein Bild ent­steht, das voll­stän­di­ger und rei­cher ist, als die in den Ge­schich­ten oft nur an­ge­deu­te­ten De­tails es ei­gent­lich er­lau­ben wür­den." (S. 94)

Kehlmanns Buch ist ein ein­zi­ger Appe­tit­an­re­ger für ei­ne in­ten­si­ve Lek­tü­re der Wer­ke des Leo Pe­rutz, der – und da stim­me ich mit ihm über­ein – völ­lig zu Un­recht viel zu we­nig Be­ach­tung fin­det. Mich hat er über­zeugt, und ich freue mich schon auf mei­ne nächs­te Pe­rutz-Lek­tü­re.


12. September 2024

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