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Martin Ros Schakale des Drit­ten Reiches Martin Ros
Schakale des Drit­ten Reiches.
Untergang der Kollaborateure 1944 – 1945.
Verlag Günther Neske 1997, 358 Sei­ten
ISBN 3-7885-0516-8

Laut Ros gab es "Millionen Kol­la­bo­ra­teu­re" (S. 16), die aus den un­ter­schied­lichs­ten Grün­den mit deut­schen Behörden und/oder der Wehr­macht zu­sam­men arbeiteten. Man­che machten es für Geld und Pro­tek­tion, andere um den Kom­mu­nis­mus zu bekämpfen, und viele hatten antisemitische Mo­ti­ve. Man denunzierte, be­tei­lig­te sich an Verhaftungen und De­por­ta­tio­nen oder kämpfte gar in eigenen Verbänden in­ner­halb der SS an den diversen Fronten. In 16 Kapiteln be­schreibt der Autor exem­pla­risch Personen und Or­ga­ni­sa­tio­nen, die seiner Meinung nach Kollaboration mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus betrieben haben und wie sie das Ende des 3. Rei­ches erlebten.

Russische und rumänische Faschisten, flämische Na­tio­na­lis­ten, französische Rechte und Antisemiten vieler Nationen un­ter­stütz­ten aktiv die national­sozialistische Politik der Ver­trei­bung und Ausrottung der eu­ro­päischen Juden, bis zu einer Mil­lion Angehörige der Wehrmacht und der SS waren nicht deut­scher Nationalität [1]. Schriftsteller wie Ezra Pound und Knut Hamsun (dessen Frau aktives Mitglied der nor­we­gi­schen Faschisten-Partei "Nasjonal Samling" war) betrieben Pro­pa­gan­da für den Duce oder Hitler. Den Mufti von Je­ru­sa­lem, Ferenc Szalasi, der sich von Hitler zu Ungarns Dik­ta­tor er­nen­nen ließ, die "Ei­ser­nen Garden" Rumäniens [2] und vie­le andere stellt der Autor vor, häufig mit historischem Hin­ter­grund, und beschreibt welche Kon­sequen­zen ihre Kol­la­bo­ra­tion mit dem National­sozialismus hatten.

Es gibt aber auch ein Kapitel über Marcel Petiot, einen fran­zö­si­schen Serienmörder, der während der Zeit der Be­sat­zung in Paris seine Opfer unter den Geflüchteten und Ver­folg­ten fand, indem er Hilfe anbot und sie zu sich in die Wohnung lock­te, wo er sie dann um­brach­te. Auch Stella Gold­schlag wird ein Kapitel ge­wid­met, die jüdische "U-Boote" an die Ge­sta­po verriet, da ihr zugesichert worden war, ihre Eltern vor der Deportation zu verschonen [3]. Das ist sehr informativ, aber auch häufig sehr reißerisch. Wie überhaupt bei der Lek­tü­re ein gewisses Unbehagen wächst, wenn aus­führ­lich die Grau­sam­kei­ten be­schrie­ben werden, die Kolla­bora­teure nach ih­rer Ent­tar­nung erfahren haben, wo­hin­ge­gen ihr Anteil und die Aus­wir­kun­gen ihrer Kolla­bo­ra­tion keine oder nur geringe Er­wäh­nung finden. Mir hat sich der Ein­druck aufgedrängt, dass Mar­tin Ros um eine Re­la­ti­vie­rung der Ver­ant­wor­tung für die Ver­brechen des National­so­zia­lis­mus bemüht ist.

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1. Noch 1944 wurde die aus französischen Freiwilligen be­ste­hen­de SS-Division "Charlemagne" gegründet und an der Ostfront ein­ge­setzt. Die letzten Tage des Kampfes um das "Führer­haupt­quartier" in Ber­lin wurde vor allem von Mitgliedern dieser Einheit geführt.

2. Wurden ein Zeitlang von Mircea Eliade und Emil Cioran un­ter­stützt.

3. Ihre Eltern wurden 1944 über Theresienstadt nach Auschwitz de­por­tiert und dort ermordet.

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15. Dezember 2022

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