Kassiber leer
Autoren Glossen Lyrik

Alexander Solschenizyn Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch Alexander Solschenizyn
Ein Tag im Leben des Iwan De­nisso­witsch.
Erzählung.
158 Sei­ten

Am 22. Juni 1941 überfällt – trotz ei­nes 1939 ab­ge­schlos­se­nen Nicht­an­griffs­pakts – die deutsche Wehr­macht die Sowjetunion. Am 23. Juni 1941 ver­lässt Iwan De­nis­so­witsch Schuchow sein Zu­hau­se, um in den Reihen der Ro­ten Ar­mee sein Land zu ver­tei­di­gen. Im Fe­bru­ar 1942 gerät sei­ne Ein­heit in deutsche Kriegs­ge­fan­gen­schaft, nach einigen Ta­gen ge­lingt ihm und einigen Ka­me­ra­den jedoch die Flucht zu­rück zur ei­ge­nen Ar­mee. Dort wird er des Landesverrats an­ge­klagt und zu 10 Jahren Ar­beits­lager verurteilt [1]. Die Er­zäh­lung be­schreibt einen Tag im Jahr 1951.

Obwohl die längste Zeit seiner Inhaftierung ver­gan­gen ist, ist sich Iwan Denissowitsch kei­nes­wegs sicher, nach den 10 Jah­ren, zu denen er ver­ur­teilt worden ist, auch tatsächlich ent­las­sen zu werden. Im Lager befinden sich zahlreiche Ge­fan­ge­ne, deren Haftzeit längst abgegolten ist, die aber unter fa­den­schei­ni­gen Be­grün­dun­gen wei­ter inhaftiert sind. Iwan De­nis­so­witsch lebt zwi­schen der Routine des täglich glei­chen Ab­laufs des Ge­sche­hens, der Hoffnung auf kleinste Ver­güns­ti­gun­gen, die er sich durch genaue Be­ob­ach­tun­gen der Hie­rar­chien und Personen ver­schafft, und den Ängsten vor den will­kür­li­chen Schi­ka­nen der Aufseher oder Ver­let­zun­gen wäh­rend der Arbeit bei minus 40 Grad Celsius.

"Wer ist der größte Feind des Häftlings? Der an­de­re Häftling." [2] Dennoch bewahren sich Schu­chow und einige anderen Häft­linge Momente der So­li­da­ri­tät und der Empathie. Bei der Aus­tei­lung der kargen Nah­rung, bei Krankheiten, bei Pro­ble­men während der Arbeit, den gewalttätigen Auf­se­hern oder an­de­ren Häftlingen ge­gen­über er­grei­fen sie Ge­le­gen­hei­ten, um sich zu un­ter­stützen.

Der Stil ist konventionell, im Kontrast etwa zu Pri­mo Levi und War­lam Schalamow, bei denen das Erlebte sich un­mit­tel­bar in der nahezu kris­tal­li­nen Form der Sprache ausdrückt.

Solschenizyn befand sich zwi­schen 1945 und 1953 selbst in La­ger­haft unter ähn­lichen Be­din­gun­gen, wie er sie in dem Text beschreibt. 1970 wur­de ihm der Nobelpreis für Literatur ver­lie­hen.

----------------------------

1. "Der Anklage zufolge saß Schuchow wegen Lan­des­verrats. Er hat­te das zugegeben und ausgesagt, daß er sich habe ge­fan­gen neh­men lassen, um sein Land zu verraten, und daß er aus der Ge­fan­gen­schaft zu­rück ge­kehrt sei, um einen Auftrag des deutschen Ge­heim­dienstes aus­zu­führen. Welcher Art dieser Auf­trag gewesen war, dahinter konnte weder Schuchow noch der Un­ter­su­chungs­richter kommen. So blieb es ein­fach bei einem Auftrag. Schuchows Über­legungen wa­ren einfach: Unterschreibst du nicht, ist es dein Tod, unterschreibst du, dann lebst du noch ein paar Jähr­chen. Also un­ter­schrieb er." S. 64

2. S. 115

----------------------------

24. Januar 2023

Gelesen : Weiteres : Impressum