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"Sicherheit beruht meist auf Aberglauben. Weder kommt sie in der Natur vor, noch ist sie jedem Menschenkind vergönnt. Die Vermeidung der Gefahr ist letztlich nicht sicherer, als sich ihr ohne Umschweife auszusetzen. Das Leben ist entweder ein waghalsiges Abenteuer oder vollkommen belanglos." (Helen Keller) [1] Der 1786 geborene Holman erblindete im Alter von 25 Jahren. Er war zwolfjährig der Royal Navy beigetreten und inzwischen zum Leutnant der britischen Kriegsmarine aufgestiegen. Nach seiner Entlassung aus der Armee studierte er in Edinburgh Medizin und Literatur. Noch als Sehender war sein größter Wunsch, eine Weltreise zu unternehmen. Finanziell abgesichert durch eine Invalidenrente bereitete er sich akribisch auf seine zukünftigen Reisen vor. Die erste führte ihn durch das westliche Europa (1819 – 1921). Mit Hilfe eines Noctographen [2] machte er sich umfangreiche Notizen zu seinen Reisen und Begegnungen, die er anschließend in Buchform veröffentlichte. Der erste Versuch einer Weltreise (1822 – 1824) fand in Sibirien ein jähes Ende, wo er, zunächst ohne zu ahnen warum, unter behördliche Aufsicht gestellt wurde und unter ständiger Begleitung eines Feldjägers nach Polen abgeschoben wurde. Man hatte ihn der Spionage verdächtigt. In den Jahren von 1827 bis 1832 gelang ihm schließlich die Reise durch vier Kontinente, die er in einer vierbändigen Ausgabe (1834) ausführlich beschrieb. Noch zu Lebzeiten mehrte sich die Kritik an seinen Reiseberichten, man warf ihm Angeberei und Betrug vor. Sein letztes Manuskript fand schon keinen Verleger mehr. Holman verstarb 1857 in London, er geriet schnell in Vergessenheit. Der vorliegende Text ist eine Zusammenstellung von Auszügen aus Holmans verschiedenen Werken, kommentiert und mit Fußnoten versehen von den Herausgebern. Dabei sind nicht selten die Erläuterungen interessanter und informativer als der Ursprungstext. Der über weite Strecken Zweifel an der Authentizität des Berichteten aufkommen lässt. Wenn Landschaften, Sonnenauf- und -untergänge, die Bekleidung der Personen, mit denen Holman zusammentraf, und manches andere mehr bis ins Detail beschrieben werden, dann fragt man sich, wie ein Blinder zu diesen Eindrücken gekommen ist [3]. Zumal Holman mehrfach darauf verweist, dass er, von Ausnahmen abgesehen, alleine gereist ist [4]. Das irritiert und lässt das Geschilderte unglaubwürdig erscheinen. Darüber hinaus tauchen immer wieder rassistische Äußerungen auf, die nur schwer zu ertragen sind: "Diese (Gerüche KM) reichten von köstlichen Düften der Früchte und Blumen bis zu dem Gestank, von dem ich annehme, daß er typisch für ihre Hautfarbe ist." (S. 179) "Im allgemeinen sind die Eingeborenen harmlos und friedfertig, man sollte allerdings hinzufügen, daß es sich bei diesem Stamm wahrscheinlich um das dreckigste Volk unter der Sonne handelt, …" (S. 210) "… Gesicht mit affenähnlichem Profil …" (S. 211) "Ich reiste mit einigen mosambikanischen Schwarzen, die um einiges dümmer waren als die Tiere, auf denen sie ritten." (S. 234) Undsoweiter. Nach den interessanten und lesenswerten Arbeiten Trojanows zu dem Reisenden Richard Burton ("Der Weltensammler" (Hanser 2006) und "Nomade auf vier Kontinenten" (Eichborn 2007)) war das Buch von und über James Holman eine ziemliche Enttäuschung. ---------------------------- 1. S. 14. Helen Keller (1880 – 1968) verlor im Alter von 19 Monaten durch eine Krankheit ihr Hör- und Sehvermögen. Beherrschte als Erwachsene mehrere Fremdsprachen und schloss ihr Studium mit einem BA (cum laude) ab. Engagierte sich für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Schrieb mehrere Bücher und wurde mehrfach ausgezeichnet.
3. In St. Petersburg nimmt Holman im Englischen Club an einem Spiel teil, das Boule bzw Boccia ähnelt. "… wobei sich herausstellte, daß kein großer Unterschied bestand zwischen jenen, die sehen, und jenen, die nicht sehen konnten." S. 75. Trojanow / Urban kommentieren diese Stelle mit dem Hinweis auf blinde Kricketspieler in Neu Delhi und der Weltmeisterschaft im Blind Cricket. Erstaunlich. 4. "Ich reiste alleine. Niemand stand mir mit Rat und Tat zur Seite, und ich bewältigte meine Reisen, die oftmals beschwerlich waren und über weite Strecken gingen, mit sehr geringen finanziellen Mitteln." S. 317. In einem gewissen Widerspruch dazu steht die folgende Äußerung Holmans: "Ich hatte festgestellt, daß es besser war, jeweils vor Ort und wenn es die Notwendigkeit erforderte, einen Diener einzustellen, da sich diese Menschen zwangsläufig besser mit der Umgebung und den jeweiligen Gepflogenheiten und Sitten auskennen." S. 233 ---------------------------- 10. Oktober 2020 → Reisen |
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