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Horst Karasek Fedtmilch-Aufstand Horst Karasek:
Der Fedtmilch-Aufstand oder: Wie die Frank­fur­ter 1612/1614 ih­rem Rat ein­heiz­ten.
Verlag Klaus Wagen­bach 1979, 141 Sei­ten, ISBN 3-8031-2058-6

Vinzenz Fettmilch (Fedt­milch) wur­de zwi­schen 1565 und 1570 in Bü­des­heim ge­bo­ren und 1593 in Frank­furt ein­ge­bür­gert. Er ver­dien­te sei­nen Le­bens­un­ter­halt als Leb­ku­chen­bä­cker. In den Jah­ren 1612 bis 1614 war er ei­ner der ak­tivs­ten un­ter den Frank­fur­ter Bür­gern, die sich ge­gen die als Miss­stän­de emp­fun­de­nen Zu­stän­de in der Stadt und ge­gen die Ju­den em­pör­ten. Er war füh­ren­des Mit­glied des Bür­ger­aus­schus­ses, der mit den Pa­tri­ziern und den kai­ser­li­chen Emis­sä­ren ver­han­del­te und lei­te­te den Mob wäh­rend der Plün­de­rung der Ju­den­gas­se und der Ver­trei­bung ih­rer Be­woh­ner. Nach der Ver­hän­gung der Reichs­acht durch Kai­ser Matt­hias ge­gen ihn und sei­ne engs­ten Mit­strei­ter wur­de er fest­ge­nom­men und am 28. Fe­bru­ar 1616 auf dem Frank­fur­ter Roß­markt öf­fent­lich hin­ge­rich­tet. Da­bei wur­den ihm zwei Fin­ger der Schwur­hand ab­ge­trennt, an­schlie­ßend wur­de er ent­haup­tet und ge­vier­teilt. Sein Kopf wur­de mit den Köp­fen von drei wei­te­ren hin­ge­rich­te­ten An­füh­rern des Auf­stands am Brü­cken­turm der Al­ten Brü­cke auf­ge­steckt.

Karasek beschreibt die öko­no­mi­sche und po­li­ti­sche Si­tua­tion der Frei­en Reichs­stadt Frank­furt zu Be­ginn des 17. Jahr­hun­derts und die Kon­flik­te, die sich zwi­schen den ver­schie­de­nen Be­völ­ke­rungs­grup­pen auf­ge­staut hat­ten. An­läss­lich der Krö­nung Kai­ser Matt­hias' ent­brann­te ein Streit über die Pri­vi­le­gien, die den Frank­fur­ter Bür­gern zu­ge­spro­chen wor­den wa­ren, de­ren In­hal­te ih­nen aber von den mäch­ti­gen Pa­tri­ziern, die den Rath do­mi­nier­ten, vor­ent­hal­ten wur­den. Doch die Bür­ger for­der­ten mehr: die Er­rich­tung ei­nes Korn­mark­tes, die He­rab­set­zung der Zin­sen und die Ver­trei­bung ei­nes gro­ßen Teils der an­säs­si­gen Ju­den, die als enge Ver­bün­de­te der Pa­tri­zier an­ge­se­hen wur­den und bei de­nen vie­le Hand­wer­ker und Bür­ger ver­schul­det wa­ren.

Karasek inter­pre­tiert Fett­milch als Sym­bol des so­zia­len Pro­tests ge­gen das städ­ti­sche Pa­tri­ziat und des­sen wirt­schaft­li­che Pri­vi­le­gien. Vet­tern­wirt­schaft, Kor­rup­tion und die Aus­gren­zung gro­ßer Be­völ­ke­rungs­tei­le von po­li­ti­scher Teil­ha­be in Ver­bin­dung mit ei­ner tra­dier­ten Ju­den­feind­lich­keit lie­ßen den Un­mut es­ka­lie­ren, bis der Auf­stand 1614 durch das mi­li­tä­ri­sche Ein­grei­fen des Kai­sers und die Hin­rich­tung Fett­milchs und sei­ner An­hän­ger ein ge­walt­sa­mes Ende fand. Ka­ra­sek be­trach­tet den Frank­fur­ter Fett­milch-Auf­stand nicht nur als lo­ka­les Er­eig­nis, son­dern eben­so als Vor­bo­ten des we­nig spä­ter be­gin­nen­den Dreißigjährigen Krie­ges.

Die Untersuchung ba­siert auf ei­ner Aus­wer­tung di­ver­ser his­to­ri­scher Quel­len wie Stadt­chro­ni­ken, Ge­richts­ak­ten und zeit­ge­nös­si­schen Flug­schrif­ten, un­ter an­de­rem lie­fert der Au­tor eine aus­führ­li­che Schil­de­rung der Ge­schich­te der Ju­den in Frank­furt ba­sie­rend auf den Stu­dien Isi­dor Kra­cau­ers.


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26. Mai 2025

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