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In der autofiktionalen Erzählung "Das Haus an der Grenze" kaufen zwei in Frankfurt lebende Paare ein Haus an der Grenze zur DDR [1]. Konrad, der Erzähler, mit seiner Partnerin Maria, Jakob, der Bruder Konrads, und Jutta. Die Demarkationslinie ist in Sichtweite, das Haus in einem bejammernswerten Zustand. Aber es ist preiswert, und man traut sich zu, das Meiste in Eigenarbeit erledigen zu können. Zu Beginn hilft noch das junge Paar mit, dem das Haus gehört und dem die Kosten über den Kopf gewachsen sind. Später helfen dann einige Bewohner aus dem Ort mit Traktor und Werkzeug. Zwischen Einheimischen und den Zugezogenen besteht ein ambivalentes Verhältnis von Neugierde und Misstrauen. Man pflanzt Blumen und Gemüse an, Konrad schafft sich einen Raum, in dem er schreiben kann. Sein Ziel ist die Erstellung einer Chronik des Ortes [2], zu der es nie kommen wird. Außenseiter des Ortes und der Umgebung suchen Kontakt, die Unvereinbarkeit der Welten, in denen die Menschen aus Großstadt und Land leben, wird augenfällig. Als aus dem Museum, das ausschließlich der Grenze zur DDR gewidmet ist, eine Maschinenpistole verschwindet, kommt es zur ersten Hausdurchsuchung und manche sehen sich in ihrem Verdacht bestätigt, dass es sich bei den Langhaarigen aus Frankfurt nur um Terroristen oder deren Helfer handeln kann. Der Bundesgrenzschutz beobachtet die Bewohner des Hauses und ihre Gäste, immer wieder stehen unbekannte PKWs in der Nähe, in denen offensichtlich Zivilpolizisten das Geschehen dokumentieren. Manche Einheimische würden die Zugezogenen am liebsten ins Minenfeld zwischen den beiden deutschen Staaten jagen. Maria, die Malerin, arbeitet an einer Art Kreuzweg, der die Situation der Menschen in dieser Grenzregion darstellen soll. Als eine Galerie in einer nahe gelegenen Provinzstadt die Arbeiten ausstellt, erscheint in der Lokalzeitung ein Artikel, in dem die Arbeiten als Diskriminierung und Verächtlichmachung der örtlichen Bevölkerung dargestellt werden. Die Stimmung kippt, Konrad und seine Mitbewohner befürchten Übergriffe und verlassen das Haus. Sieben Jahre später, anlässlich eines Dorffestes, besucht Konrad den Ort erneut. Man gibt sich entspannt, es hätte wohl damals einige Missverständnisse gegeben, Schwamm drüber. Am Abend läuft Konrad zu dem immer noch leer stehenden Haus und steckt es an, bis es lichterloh brennt: "Der Himmel ist glutrot. Da wird wohl das ganze Dorf brennen, denke ich, und gehe weiter." Der Text ist in Teilen in einer Art Reportagestil geschrieben, der Rückzug aus der Stadt, in der sich Konrad und seine Freunde in der politisch aufgeheizten Stimmung der frühen 70er Jahre zunehmend bedroht fühlen, misslingt, sie kommen vom Regen in die Traufe. Das Niemandsland zwischen den beiden Staaten, an dem sie häufig spazieren gehen, ist ein Sehnsuchtsort. Unerreichbar. ---------------------------- 1. Horst Karasek und Helga M. Novak lebten in den Jahren 1974 bis 1977 in einem Haus in Breitensee, einem Ort direkt an der Grenze zur DDR, der noch keine 300 Einwohner zählte. 2. Später wird Horst Karasek eine solche Chronik über "Das Dorf im Flörsheimer Wald" schreiben, um den Widerstand gegen die Startbahn West zu dokumentieren. ---------------------------- 12. Dezember 2022 |
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